Startseite Fahrtensegeln Törnberichte 2001 - „Flussfahrt“ von der Fulda nach Laboe

Die zweite herausragende Reise machte Uwe Stark mit seinem 6 m langen Holzmotorboot Joker. Er trailerte das Boot bis nach Sandershausen an der Fulda. Von dort aus befuhr der Joker mit seinem Skipper Uwe Stark und dessen Partner Bernhard Markfers die Fulda und Weser, den Elbe-Weser-Weg, die Elbe, den Nord-Ostsee-Kanal und war nach 8 Tagen wieder wohlbehalten im Laboer Hafen. Viele interessante und aufregende (wegen der starken Strömung) Erlebnisse machten diesen Törn zu einer besonderen und für die Crew unvergesslichen Fahrt. Sei es die Wehre in der Fulda, die Hochseilfähren oder aber die unbekannte Strömung und immer wieder die Befürchtung, schafft das auch mein kleines Schiff mit seinen 15 Pferdestärken? Dies war bereits die dritte „Flussfahrt“ der Joker. Die erste Reise ging „Rund Schleswig-Holstein“: Nord-Ostsee-Kanal, Elbe, Elbe-Lübeck-Kanal, Trave und Ostsee. Die zweite Reise führte die Elbe von der tschechischen Grenze hinab bis Brunsbüttel, Nord-Ostsee-Kanal nach Laboe.


Auszug aus dem Logbuch der Joker über die „Flussfahrt“ von der Fulda nach Laboe
2. Tag – Mittwoch, 11. Juli 2001, Sandershausen – Bad Karlshafen
Im Notizbuch steht unter „Wetter“: Wolken, Sonne, Regen, später zunehmender SW-Wind. Gegen 07.30 h hieß es ablegen. Bernhard wieder mit von der Partie. Er zählt „seine“ Fender, zählt noch einmal – einer fehlt. Den hatten wir aus praktischen Erwägungen am Steg festgetütert. Und da war er auch geblieben. Also kehrt – die Fulda mit ihren bewaldeten Hängen ist es allemal wert, zweimal befahren zu werden. Eine herrliche Landschaft, die wir so auf eigenem Kiel noch nicht erlebt haben. Weder die Bundesstraße 3 am linken, noch die Eisenbahnstrecke am rechten Ufer, beide dem gewundenen Flusslauf folgend, störten die Idylle. Eine Kirche – am rechten Ufer – fast zum Anfassen. Nur die beiden Eisenbahnbrücken hoch über uns (bei km 90, 08.00 h) erinnerten an die Ist-Zeit. Flüsse wie Fulda und Weser mit einem relativ starken Gefälle zum Meer hin sind natürlich nur schiffbar, wenn man sie entsprechend den geologischen Gegebenheiten aufstaut. Gewöhnungsbedürftig für Leute von de Küste.

Und so blieb es ja nicht aus, dass wir auch bald das 1. Wehr zufassen hatten. Und da man mit'n Boot da so schlecht überweg kommt, hat man schlauerweise gleich eine Schleuse nebenan gesetzt. Auch neu für uns – eine Selbstbedienungsschleuse. Theoretisch kannte ich's ja schon von meiner „Bildungsreise“ (Anmerkung: Der Skipper hat im Jahr 2000 „Landurlaube“ mit Abstecher an die Fulda und Weser gemacht, um die Gegebenheiten auszukundschaften), aber dass das Ganze auch funktioniert, überraschte mich. Und was das Schönste war, Bernhard brauchte gar nichts dazu bezahlen. So passierten wir denn bei km 93,5 von 08.20 h bis 08.45 h die Schleuse „Wahnhausen“. Gegen 09.25 h (km 101,4) schon etwas routinierter die Schleuse „Wilhelmshausen“ und um ca. 10.10 h (km 105,3) lag die Schleuse „Bonaforth“ hinter uns. Der Schleusenhub der drei lag in etwa bei 3 Meter. Eine davon – ich glaube die 2. -war ausgesprochen sportbootfreundlich. Das Boot konnte an einem Schwimmer belegt werden, es entfiel das lästige und auch schmutzige Hangeln an Stegleiter oder Pollern, die in die Schleusenwände eingelassen sind. Das Wetter war freundlicher geworden, der SW-Wind hatte aber zugenommen und blies uns ordentlich von achtern in die Kuchenbude. Während der 3 km bis zur Schleuse Hann Münden spürte der Skipper, wie die Anspannung seinen Puls höher schlagen ließ. Irgendwie hatte er bannig Fracksausen, aber bloß nichts anmerken lassen, sonst wird die Besatzung am Ende auch nervös. Das Fahrwasser wurde enger – zur Rechten eine Art Steilküste mit überhängenden Bäumen, zur Linken ein lang gezogenes Wehr, über das ein Teil des Fuldawassers ablief. Darauf war ich vorbereitet – aber nicht auf das Wehr nach rechts direkt vor der Schleuse. „Durchfahrt verboten mit Ausnahme von Fahrgastschiffen“ sah ich aus dem Augenwinkel. Die Strömung nach rechts und der Wind von achtern trieben den Joker dahin, wo der Skipper ihn nicht haben wollte. Stress – Gas weg – der Motor stand. Gerade dann, wenn man es am allerwenigsten gebrauchen kann. Das kommt eben vom eigenen Fusch – wenn man seine Arbeit nicht ordentlich macht. Wie schon vorne beschrieben, hatte ich die Motordrehzahl erhöht, die Arretierung des Gashebels, die ein unbeabsichtigtes Abstellen des Motors verhindert, luschig improvisiert. Nun ja, er sprang gleich wieder an, wir waren schon mächtig weit nach rechts abgetrieben und die geschlossene Schleuse zum Greifen nah. „In diesem Fall links an der Betonwand festhalten“ hatte ich noch im Ohr. Also jetzt aber los auf die Wand. Bernhard stand vorn mit Leine und Fender und just in dem Moment, als wir kurz vor der Betonwand sind, wird Bernhard durch den Zuruf des Schleusenmeisters, der die Schleusung bereits eingeleitet hatte, abgelenkt. Der Joker und die Betonwand sind heil geblieben – aber gerummst hat es mächtig. Ich weiß nicht mehr, wie wir in die Schleuse kamen, weiß nur, dass wir quer drin hingen, denn ohne Fahrt in der Schleusenkammer machte der starke Wind mit uns, was er wollte. Mein einziger Gedanke war nur, was mag nur der Schleusenmeister denken, so'n Scheißmanöver! Er ließ sich aber nichts anmerken – Gott sei Dank. Gegen 10.40 h hatten wir den berühmten Stein mit der Aufschrift: „Wo Werra sich und Fulda küssen....„“ na, den kennt ihr ja – in unserem Rücken. Hier beginnt nun die Kilometrierung der Weser mit km 0. Und Strömung hatten wir jetzt, geschätzte 6 km/h. Die Weser war natürlich etwas breiter als die Fulda, sanft steigen die teilweise bewaldeten Hänge des Reinhardswaldes zur Linken bzw. des Bramwaldes zur Rechten an. Ein schönes Erlebnis, langsam per Boot das Mittelgebirge zu durchfahren auf einem Fluss, der ständig seine Richtung ändert. Schiffsverkehr, auch Sportboote, war so gut wie keines auszumachen. Bis auf das Fahrgastschiff „Hessen“. Es fuhr recht langsam vor uns her, und wir trauten uns ein Überholmanöver nicht zu. Zum Glück machte es am Anleger Oedelsheim (km 25) fest und wir konnten gefahrlos vorbeiziehen. Wir passierten Reinhardshagen (km 10) um 11.40 h. Es hieß wieder 'mal aufpassen. Die Hochseilfähre – nicht ganz so tückisch wie die Gierfähren auf der Elbe – bedarf eben der Aufmerksamkeit – solange der rotweiße Schlagbaum auf der Fähre noch hoch ist, liegt sie auch fest. Senkt sich dieser jedoch, heißt es mit Vollgas durch oder eben Wende. Südwestlicher Starkwind mit stürmischen Böen hielt Bad Karlshafen für uns bereit. Mit Wind und gegen Strom gelangten wir problemlos in den Hafen. 14.25 Uhr zeigte die Uhr, als der Joker fest vertäut am langen Schwimmsteg sicher vor sich hindümpelte. Fetzenweise drangen die Klänge der Kurkapelle an unser Ohr, untermalt vom Lärm tieffliegender Düsenjäger. Ein Rundgang durch die im 17. Jahrhundert vom Landgraf Carl gegründete Stadt fasziniert immer wieder. Nur in den Hafen in der Innenstadt und weiter in den Diemel per Boot,  das ist der Traum des Hessenfürsten geblieben. Zurück am Bootshafen trafen wir dann auch den nebenamtlichen Hafenmeister. Mit DM 10,--Liegegeld waren wir dabei und erhielten den Schlüssel für die Sanitärräume. Nebenbei beschäftigte sich der technisch versierte Mann auch mit den Sorgen seiner Stammlieger. Ihr kennt deren Hauptkummer – richtig – ihre Propeller – putt, putt. (Anmerkung: durch den niedrigen Wasserstand der Weser fahren sich die Motorboote immer wieder die Propeller kaputt). Nachdem der kleine Exot (Anmerkund: der Joker) ordentlich gelobt war, ging's natürlich ans Lieblingsthema an der Weser. Viel zu wenig Wasser. Und die vom Edersee, die eigentlich für genügenden Wasserstand sorgen sollen, behalten es für sich. Und seit auf dem See Ausflugsdampfer fahren, ist es noch schlimmer geworden. Und höchstens wenn ein Herr Meyer in Papenburg einen seiner großen Neubauten auf der Ems verholen will, nur dann trennen sich die Leute vom Edersee von ein paar Litern. Meine Zweifel standen mir wohl ins Gesicht geschrieben. „Doch, das stimmt“ – und sie erklärten denn auch, wie das kostbare Nass vom Edersee in die Ems geleitet wird. Ja, so hat ein jeder sein Problemchen.

Uwe Stark